BGH: Haften Eltern für ihre Kinder beim Filesharing?

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass Eltern verpflichtet sind, den Namen ihres Kindes mitzuteilen, sofern ihnen dieser bekannt ist bzw. wurde und das Kind die Urheberrechtsverletzung über den gemeinsam genutzten Internetanschluss im Rahmen einer illegalen Verwendung einer Tauschbörsen-Software (Filesharing) den Eltern gegenüber zugegeben hat. Andernfalls droht den Eltern selbst eine Verurteilung als Täter (BGH, Urteil vom 30.03.2017, I ZR 19/16).

Sachverhalt

Ein Tonträgerhersteller, der die Verwertungsrechte an den Musiktiteln des Albums „Loud“ der Künstlerin Rihanna inne hatte, verklagte die Eltern als Anschlussinhaber auf Schadensersatz i.H.v. mindestens 2.500 EUR sowie auf Ersatz der Abmahnkosten i.H.v. 1.379,80 EUR in Anspruch, weil diese Musiktitel über deren Internetanschluss im Januar 2011 durch Filesharing über eine Tauschbörsen-Software unerlaubt öffentlich zugänglich gemacht worden sind. Die Eltern bestritten, die Rechtsverletzung begangen zu haben und verwiesen auf ihre drei bei ihnen wohnenden, volljährigen Kinder, die über eigene Endgeräte Zugriff auf das mit einem individuellen Passwort geschützten WLAN und dadurch auf das Internet hatten. Im Verfahren erklärten die Eltern, dass ihnen bekannt sei, welches der Kinder für den Upload verantwortlich gewesen sei, verweigerten jedoch die Preisgabe des Namens. Das Landgericht hat der Klägerin Schadensersatz in Höhe von 2.500 € und den Ersatz von Abmahnkosten in Höhe von 1.044,40 € zugesprochen und die Klage im Übrigen abgewiesen (LG München I, Urteil vom 1.07.2015, 37 O 5394/14). Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben (OLG München, Urteil vom 14.01.2016, 29 U 2593/15).

Täterschaftsvermutung

Wird eine Urheberrechtsverletzung über einen gemeinsam genutzten Internetanschluss (Familienangehörige, Mitbewohner) begangen, so hat der Rechteinhaber nach allgemeinen Grundsätzen darzulegen und zu beweisen, welche Person der Täter ist (BGH, Urteil vom 15.11.2012, I ZR 74/12). Aufgrund der sehr eingeschränkten Ermittlungsmöglichkeiten des Rechteinhaber besteht nach ständiger Rechtsprechung allerdings eine tatsächliche Vermutung der Täterschaft des Anschlussinhabers (BGH, Urteil vom 12.05.2010, Az. I ZR 121/08).

Sekundäre Darlegungslast

Diese Täterschaftsvermutung beim Filesharing kann der Anschlussinhaber nur dadurch erschüttern, dass dieser der sog. sekundären Darlegungslast in ausreichendem Maße nachkommt (BGH, Urteil vom 12.05.2010, I ZR 121/08). Diese für den Anschlussinhaber bestehende sekundäre Darlegungslast führt nicht zu einer Umkehr der Beweislast (BGH, Urteil vom 08.01.2014, I ZR 169/12). Allerdings obliegt es dem Anschlussinhaber darzulegen, dass für die begangene Urheberrechtsverletzung andere Personen, die zum Tatzeitpunkt zum Haushalt des Anschlussinhabers gehörten, selbständigen Zugriff auf das Internet über den gemeinsam genutzten Anschluss hatten und damit abstrakt als Täter in Betracht kommen (BGH, Urteil vom 08.01.2014, I ZR 169/12). Dabei muss die ernsthafte Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufs dargelegt werden (BGH, Urteil vom 15.11.2012, ZR 74/12).

Zumutbare Nachforschungs- und Prüfpflichten

Dabei treffen den Anschlussinhaber zumutbare Nachforschungs- und Prüfpflichten. Nach der Rechtsprechung des BGH ist es zumutbar, die Mitnutzer zu dem Vorgang zu befragen und das Ergebnis der Befragung mitzuteilen. Entspricht der Anschlussinhaber seiner sekundären Darlegungslast, so hat (wieder) der klagende Rechteinhaber darzulegen und nachzuweisen, wer tatsächlich als Täter für die Urheberrechtsverletzung haftet.

BGH: Pflicht zur Nennung des Namens des Kindes

Der BGH hat die Revision der Beklagten zurückgewiesen. Die Eltern seien ihrer sekundären Darlegungslast nicht in ausreichendem Maße gerecht geworden, da sie den Namen des Kindes nicht angegeben haben, welches ihnen gegenüber die Rechtsverletzung (treuherzig) zugegeben hat. Diese Angabe sei für die Eltern auch unter Berücksichtigung der widerstreitenden Grundrechte der Parteien zumutbar. Zwar könnten sich die Eltern weiterhin auf den grundrechtlichen Schutz der Familie gemäß Art. 7 EU-Grundrechtecharta und Art. 6 Abs. 1 Grundgesetzes (GG) berufen. Daher sei es für den Anschlussinhaber zwar nicht zumutbar, die Internetnutzung seines Ehegatten zu kontrollieren oder den Computers seines Ehegatten auf die Existenz von Filesharing-Software zu untersuchen, um seine eigene Haftung als Täter abwenden zu können (BGH, Urteil vom 06.10.2016, Az. I ZR 154/15). Allerdings sei es den Eltern zumutbar, den Namens ihres Kindes im Verfahren mitzuteilen, welches diesem gegenüber im Rahmen der durchgeführten Nachforschungen (z.B. durch schlichtes Nachfragen) die Begehung des Rechtsverstosss eingestanden hat, um der eigenen Haftung als Täter zu entkommen. Das Grundrecht der Klägerin auf geistiges Eigentum nach Art. 17 Abs. 2 EU-Grundrechtecharta und Art. 14 GG sowie auf einen wirksamen Rechtsbehelf nach Art. 47 EU-Grundrechtecharta wögen bei der Grundrechtsabwägung schwerer.

Fazit

Sofern der Anschlussinhaber also im Rahmen der ihm obliegenden Nachforschungen den Namen des Familienmitglieds erfahren hat, welches die Rechtsverletzung begangen hat, muss er dessen Namen offenbaren, um eine eigene Verurteilung als Täter abzuwenden. Die Konsequenzen dieses Urteil sind bedeutend. Den Eltern obliegen zwar „nur“ (ggüb. nicht-familiärer Wohngemeinschaften eingeschränkte) zumutbare Nachforschung- und Prüfpflichten. Sollte das ehrliche und auf Familienfriede bedachte Kind seine Täterschaft auf Nachfrage allerdings einräumen, so stehen die Eltern vor der Qual der Wahl. Entweder teilen diese den Namen des Kindes mit und vermeiden dadurch die eigene Haftung als Täter der Urheberrechtsverletzung. Oder sie verweigern die Namensmitteilung und werden als Täter verurteilt. Von einer wahrheitswidrige Erklärung der Eltern, dass ihnen der Name des Rechtsverletzers auch nach erfolgter Nachforschung unbekannt geblieben sei, kann nur abgeraten werden, da dies als strafbarer Prozessbetrug zu werten wäre. Die Pflicht zur Vornahme zumutbarer Nachforschungs- und Prüfpflichten wird durch diese Entscheidung konsequent um die Pflicht zur Mitteilung dieser Nachforschung (Namensmitteilung, sofern entsprechende Kenntnis vorhanden) ergänzt. Anzumerken ist auch, dass es ohne die Verpflichtung zur Namensnennung bei erlangter Kenntnis durch den Anschlussinhaber für den Rechteinhaber – bei einer Verletzung seines Urheber- oder Nutzungsrechts im Rahmen des Filesharings – zumindest dann die Durchsetzung der eigenen Ansprüche praktisch unmöglich wäre, wenn der Anschlussinhaber mit mehreren Personen in einer Wohngemeinschaft lebt und seinen Internetanschluss mit diesen teilt.